Feindbilder

06.09.2015 22:20

Ein Vorfall in unserem Kindertreff bewegte mich so, dass ich ihn hier schildern möchte: 

Zwei Kinder hatten im Spiel ein drittes Kind auf einem Stuhl festgehalten und geschlagen. Die Kinder waren unbeobachtet, nur eine Gruppe Mädchen waren noch im Raum, die den Vorfall später schilderten. Der dritte Junge fiel danach auf weil er still vor sich hin weinte und sich zurück zog. Ich wollte wissen was geschehen war und hörte, dass der Junge von den beiden anderen geschlagen wurde. Daraufhin wollte ich mit allen drei Jungen über den Vorfall sprechen. Die beiden anderen beteuerten, dass es nur ein Spiel war und sie die Polizisten waren und der dritte der Verbrecher, den sie schlugen. Ich beobachtete schon früher, dass sie sich stark fühlten, gegenüber dem dritten Jungen und ihn oft gängelten und ärgerten bis zu körperlichen Angriffen. Ich ließ mich darauf ein, dass es nur ein Soiel war und erlaubte nun ebenfalls im Spiel die Rollen zu tauschen, so dass mal ein anderer der Verbrecher sein konnte. Einer der Jungen schob schnell den zweiten vor, da er auf keinen Fall auf dem "Feuerstuhl" sitzen wollte. Dann erlaubte ich dem dritten Jungen auch im Spiel zu schlagen. Sein Angriff erfolgte so blitzschnell, dass ich selber überrascht war. Ich sagte vorher noch, dass ich das Spiel nicht gut finde, aber wenn sie das unbedingt spielen wollten, dann sollten sie es eben tun. Leider schlug der dritte dann ordentlich zu, so dass der zweite mir nun sehr leid tat mit seiner roten Backe. Ich musste ihn sofort in Schutz nehmen und dem Spiel ein Ende bereiten. Der zweite war ein tapferer Junge der auch gewohnt ist einiges zu ertragen. Nun musste ich versuchen, das was ich angerichtet hatte, wieder auszugleichen. Ich sagte dem dritten, dass es wohl ein wenig zu fest war und bedauerte den zweiten, der jetzt das Opfer war. Dann fragte ich, wie der dritte das nun wiederum gut machen könnte, da nun der zweite auf den dritten sauer sei und das Spiel so ewig weiter ginge bis naja am Ende alle weinen würden. Ich schlug vor, ob es eine Wiedergutmachung geben könnte, wenn der dritte dem zweiten ein Eis kaufen würde. Der zweite war einverstanden und bei der Übergabe des Eises beteuerte der zweite, dass sie wieder Freunde seien. Puh, das ist noch mal gut gegangen. Aber es gibt auch im Umfeld Vorfälle, die nicht begleitet werden und wo kleinere Kinder schon im Alter von fünf oder sechs Jahren andere, besonders aus einer anderen Kultur stammende, mobben und dadurch Feindbilder aufgebaut werden.

Mit Feindbild wird im Allgemeinen ein negatives Vorurteil gegenüber anderen Menschen, Menschengruppen, Völkern, Staaten oder Ideologien bezeichnet, das auf einer Schwarz-Weiß-Sicht der Welt beruht und mit negativen Vorstellungen, Einstellungen und Gefühlen verbunden ist. ...

https://de.wikipedia.org/wiki/Feindbilder
Die Entwicklung von Feindbildern ist ein psychologisches Phänomen, das so alt ist wie die Menschheitsgeschichte. Dabei werden eigene Ängste nach außen projekziert, und durch die Gruppe verstärkt. Die Gemeinschaft entwickelt eine Auffassung über andere, meist von negativen Zuschreibungen besetzt. Gleichzeitig schreibt sich die Gruppe selber positive Merkmale zu. Oftmals werden dabei den Anderen die Schuld am eigenen Mangel zugeschrieben. Besonders in Krisenzeiten bei sozialen Spannungen werden solche Feindbildbilder aufgebaut und propagiert.
Die Deutsch-Lehrerin an einem Kölner Gymnasium Brigitte Meuerer wollte es genau wissen: Sie macht mit ihren 11-jährigen Schülern ein Rollenspiel, indem sie ihnen eine Geschichte erzählte: Ich war im Urlaub auf einer Insel, da gab es einen Regierungsumsturz, da gab es nun einen neuen Führer, der die Idee hatte, nur noch schwarz- haarige Führungskräfte zu akzeptieren. Alle Blonden mussten aus den Ämtern raus und wo es Zweifel gab, bin ich braun, blond oder schwarz, haben die Schwarzhaarigen sofort entschieden, du gehörst zu uns und du nicht. Dann haben die schwarzen Schüler überlegt, was können wir machen? Brigitte Meurer sagte darauf, bitte überlegt euch das, ihr seid ja jetzt an der Macht. (wohlgemerkt: die Lehrerin gab keine weiteren Informationen für das Rollenspiel) Die Tatsache, dass die einen schwarzhaarig und die anderen blond waren, reichte aus, dass sich innerhalb kürzester Zeit alle bisherigen Bindungen unter den Schülern auflösten. Bis hin zur Anordnung der Schwarzen, dass die Blonden ihre Diener und Sklaven sein sollten. Die Lehrerin schilderte weiter: nach 20 Minuten war es dann sehr lautstark, es gab am Anfang Diskussionen zwischen Blond und Schwarz. Dann war es so, dass die ersten blonden mit dem Besen durch die Klasse gejagt wurden, es kam zu Beschimpfungen, "du bist ja nichts wert". Nach 35 Minuten gab es Geknechtete und Herrenmenschen. – Um den Unterricht wieder in normale Bahnen zu lenken, wurden die Kinder aufgefordert, das Erlebte nüchtern und sachlich zu beschreiben. Die elfjährigen Mädchen und Jungen wurden so auf eine verstandesmäßige Ebenen gebracht, um von außen zu analysieren, was da geschehen war. Schwarze sagten: „Ich habe mich mächtig und stark gefühlt“ „Es war faszinierend, dass wir anordnen konnten, was wir wollen, das haben wir ausgenutzt.“ Die Blonden haben sich schlecht gefühlt, fühlten sich schlecht behandelt, konnten nicht verstehen, dass man trotzdem solche Frondienste leisten musste, obwohl man vorher befreundet war. Wir waren doch zwei Jahr ein einer Klasse und jetzt soll das in einer halben Stunde weg sein? 
Was in dieser Klasse passierte, bezeichnet die Sozialpsychologie als projizierte Hilflosigkeit. Die eigene Schwäche und die Angst davor zu den Verlierern der Gesellschaft zu gehören, wird auf eine andere Volksgruppe übertragen. Der Ohnmächtige spürt seine Hilflosigkeit nicht mehr, wenn der sein Mitmenschen zum Opfer machen kann. Ist das Feindbild erst konstruiert, liefert es die Selbstermächtigung zu asozialem Verhalten. "Im Grunde ist es Schmerzvermeidung. Ich will an meine Ohnmacht, die ich erlebt habe nicht ran, überforme sie mit Wut, schlage zu, es geht mir im Moment besser. Aber ich muss es wiederholen, weil der alte Schmerz brodelt, der Schmerz meldet sich immer wieder, so braucht das Futter, in Form von Gewalt." Das sagt der Ralf Bongartz, Gewaltberater und ehem. Polizist.